Donnerstag, 6. Dezember 2018

Kalkfarbe für Möbel

Bei meinen ersten Versuchen mit dem Baustoff Kalk (ich berichtete hier), habe ich die wunderbar matte und leicht texturierte Oberfläche schätzen gelernt. Diese erinnerte mich sofort an das, was im Moment als "Kreidefabe" vermarktet wird. Kreidefarbe kann man inzwischen im Baumarkt oder auch im Internet kaufen. Der Name lässt an eine historische oder natürliche Farbe denken und ist damit irreführend! Bei Kreidefarbe handelt es sich um einen ganz "normalen" Acryllack, der mit Calciumcarbonat oder Gips gefüllt wird und so seine Textur erhält.

Kalkfarbe - sichtbarer Pinselstrich, supermatt

Streichkalk bzw. Sumpfkalkfarbe ist zumindest von der Optik her mindestens gleichwertig - es ergibt sich eine supermatte, strahlendweiße (sofern nicht eingefärbt) Oberfläche mit sichtbarem Pinselstrich. Jetzt bleibt zu experimentieren, ob Streichkalk auch auf Holzoberflächen gut hält und sich in der Praxis bewährt. Herhalten muss unser Vitrinenschrank im Esszimmer. Er ist Buche massiv geölt und wird mit seinem inzwischen leicht rötlichen Ton nicht in unseren neuen Eßbereich (Terrakotta-Fliesen und dunkelbraune Holzbalken) passen. Daher ist er das ideale Objekt für meinen Test.
vorher: Buche massiv geölt

Zunächst reinige ich die Oberfläche mit normalem Spülmittel. Mehr mache ich erstmal nicht - schließlich hat die sog. Kreidefarbe den Ruf, auf allem und vor allem ohne Vorbehandlung zu haften. Jetzt teste ich an der Rückseite: der Streichkalk wirkt auch hier zunächst milchig, trocknet aber gut deckend. Leider zeigt sich schon während des Trocknens der Farbe, dass das geölte Buchenholz gelb durchschlägt - das hatte ich befürchtet. Also komme ich um eine Grundierung nicht herum. Möglich ist jetzt ein sogenannter Isoliergrund auf Acrylatbasis aus dem Baumarkt oder aber die klassische und natürliche Variante mit Schellack. Da ich ja eben kein Plastik auf meinen Möbeln haben möchte, mache ich mich auf die Suche nach Schellack und finde im Internet Schellack-Blätter. Was mache ich jetzt damit?

Schellack stammt von einem kleinen apfelkerngroßen Insekt, der "Laccifer lacca". Es läßt sich auf in Indien beheimateten Bäumen nieder. Während der Fortpflanzungsphase saugt es den Saft, der aus den Zweigen austritt und scheidet ihn wieder als bernsteinfarbene harzige Substanz aus. Diese Substanz formt einen Kokon um das Insekt, der als Schutz für die dann zu legenden Eier dient. Dieser Kokon ist der Rohstoff für Schellack. Er kommt in Blätterform in den Handel und wird sehr vielfältig eingesetzt - für Möbelpolituren, früher für Schallplatten, im Musikinstrumentenbau und sogar für den Überzug von Lebensmitteln, wie etwa den Kinder Schoko-Bons oder Liebesäpfeln. Er ist also wirklich komplett natürlich und unbedenklich. Um einen Lack zu erhalten, gibt man eine Handvoll Blätter in ein Marmeladenglas und gießt ca. 100ml Alkohol dazu. Verschlossen bleibt das Glas über Nacht stehen und kann am nächsten Tag aufgerührt werden. Die dickflüssige Masse giesse ich nun durch eine alte Wollsocke, die als Filter dient und die Feststoffe und die natürlichen Verschmutzungen zurückhält. Schon ist der Lack fertig und kann sofort verwendet werden. Er kann bei Bedarf jederzeit mit Alkohol verdünnt werden. Während der Anwendung immer wieder rühren, da die Lackinhaltsstoffe nach einer gewissen Zeit absinken. Das ist schon alles. 

Nach dem Trocknen streiche ich den Schrank mit der Kalkfarbe. Dazu nutze ich einen breiten Malerpinsel. Der Pinselstrich ist gut sichtbar. Vom Effekt würde ich sagen, es geht in Richtung Vintage, Landhausstil oder man könnte auch im Shabby-Stil weiterarbeiten. Die Farbe trocknet bei Zimmertemperatur innerhalb weniger Stunden. Dann trage ich Streichwachs mit einem Baumwolllappen (aus einem alten T-Shirt geschnitten) auf die Oberfläche auf und massiere es leicht ein. Das soll die Oberfläche widerstandsfähiger machen und auch ein feuchtes Abwischen ermöglichen, was ja Kalkfarbe sonst nicht so gerne mag. Dann ist er fertig, der Schrank für die neue Küche:
Schrank mit Kalkfarbe gestrichen, mit Wachs behandelt
Ich bin mit der Optik sehr zufrieden, wie sich die Farbe in der Praxis bewährt (dieser Schrank wird jeden Tag mehrmals geöffnet und geschlossen - die Knöpfe werden dabei von den Kindern gerne ignoriert), werde ich berichten. Und zur Ausgangsfrage, ob Kalkfarbe gleichwertig zur sog. Kreidefarbe ist, ist zu sagen, dass die Eigenschaften durchaus ähnlich sind. Auch ich konnte ohne Anschleifen arbeiten, die Anzahl der Arbeitsgänge (grundieren, Farbe auftragen, versiegeln) ist identisch. Wie es mit der Langzeithaltbarkeit aussieht, wird die tägliche Nutzung (und der Umzug) zeigen.

10.01.19: Die ersten Flecken (v.a. Abdrücke von Schokoladenfingern) ließen sich gut abwischen. Allerdings hat der Staubsauger erste Macken hinterlassen. Die Farbe ist definitiv nicht sehr stoßfest. Es sind zwar nur kleine Stellen, hier ist die Farbe aber sichtbar abgestoßen.

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